Dünne sind viel besser - Übergewicht als Hindernis
Body Positivity hört man überall, aber das ist ein Witz.
Nicht Body Positivity ist der Gag, sondern vielmehr die Tatsache, dass überall davon gesprochen wird, es aber in Wirklichkeit keinen Interessiert.
Immer wieder erlebt man Dinge und Situationen, die ganz deutlich zeigen, wieviele dünne Menschen sich Übergewichtigen überlegen fühlen. Das alleine ist schon ein Unding, denn kein Mensch ist besser als ein anderer. Die Weisheit dahinter ist ein Mysterium und ich wollte schon immer wissen, woher diese lächerliche Idee kommt.
Es interessiert mich brennend, wieviele Dünne schon erleben mussten, dass vermeintlich unterlegene Übergewichtige Ziele erreichten, von denen sie selbst nur träumen, und ob sie ihnen für diese Errungeschaften Respekt zollen, oder weiterhin lediglich von ihrem Gewicht sprechen.
Übergewicht - ein Gesellschaftsphänomen?
Ganz allgemein glaubt unsere Gesellschaft - oder Teile davon - dass nur "Dünne" schön und erfolgreich sind. Das ist natürlich vollkommener Blödsinn, denn jeder von uns kennt charismatische Menschen mit Übergewicht, die alle anderen in den Schatten stellen, sobald sie einen Raum betreten. Während wir alle auch dünnen Menschen begegnen, die null Ausstrahlung haben und in einer Konversation nur durch lähmendes Schweigen glänzen.
Und dennoch gibt es diese Pseudo Überlegenheit der Schlanken, die durchaus kritisch betrachtet werden darf.
„Wer mutig ist, darf sogar ganz laut sagen - Hey, warte mal!“
Denn vielleicht gibt es ja plausible Gründe, warum jemand übergewichtig ist. Wie immer im Leben sieht man auch beim Gesicht nur einen Mini Ausschnitt seines Gegenübers und kann daraus nicht schließen, was die zusätzlichen Kilos auslöst.
Es ist lange nicht so, dass es immer am Essen liegt.
Im Gegenteil - viele Menschen, die ein paar Kilos zu viel mit sich herum tragen, versuchen ganz verzweifelt sie loszuwerden. Wenn das aber so einfach wäre, gäbe es nicht Millionen von Übergewichtigen. Viele von ihnen haben durch permanentes Diäten ihren Stoffwechsel über Jahre soweit runtergefahren, dass er nur noch auf Sparflamme läuft. Selbst wenn sie dann nur die Hälfte dessen essen, was schlanke Menschen zu sich nehmen, verlieren sie kein Gewicht. Auch tägliche Sport Sessions ändern daran nichts. Gott sei dank kennt die Medizin dieses Phänomen inzwischen und selbst Ärzte kommen nicht mehr um hin, sich mit übergewichtigen Patienten wirklich auseinanderzusetzen. Die bloße Aufforderung „nimm ein paar Kilo ab!“ ist Gott sei dank heute überholt.
Doch ausser „den Dicken“, die in einem Diät Kreislauf stecken, ohne einen Ausweg zu finden, gibt es noch viele andere Übergewichtige, die aus anderen Gründen nicht dünn sein können. Lipödeme und die Behandlung diverser Krankheiten mit Kortison
oder Antidepressiva sind nur zwei medizinische Ursachen für ungewollte Pfunde. In beiden Fällen können die Betroffenen sich auf den Kopfstellen, diäten bis der Arzt kommt (im wahrsten Sinne des Wortes) und bis zur Besinnungslosigkeit Sport treiben. Nichts davon wird ihr Übergewicht signifikant ändern.
Aber hey, wen interessiert das schon? Rein optisch sind die einfach dick - IGIT!
…und dabei sind wir alle gleich!
Von außen betrachtet ist nicht zu sehen, warum jemand ist, wie er ist - egal ob dick oder dünn, und dennoch wird Übergewicht stigmatisiert. Viel zu viele Menschen werden niemals wegen ihrer Großartigkeit gefeiert, sondern einfach auf ihr Gewicht reduziert und nicht selten als minderwertig betrachtet. Viel zu viele Übergewichtige werden einfach übersehen.
Erst wenn man fame ist wie Adele,wird nicht mehr von „der dicken Sängerin“ gesprochen, doch wollen wir ehrlich sein, wenn man sich die Artikel in Gala, Grazia und Hello! anschaut, geht es auch auch heute, nachdem die Sängerin sich neu erfunden hat, weiterhin alles um ihr Gewicht.
Dabei ist das Heer der erfolgreichen Übergewichtigen beeindruckend
Adele war nur eine von vielen Übergewichtigen, die Herausragendes geschafft hat. Neben ihr gibt und gab es Schwergewichte, die Konzerne aufgebaut haben um sie anschließend für Milliarden zu verkauft; und Dicke, die Familien-Imperien erfolgreich fortführen, oder gefeierte Filmemacher mit Übergeweicht sind. Selbst die aller bekannteste Talkmasterin aller Zeiten ist ein Beispiel für das JoJo Phänomen.
Es gibt dicke Bestseller Autoren, Hollywoodstars und Künstler und ich selbst weiß darüberhinaus von unzähligen unbekannten Übergewicht, die einen guten Job manchen, wunderbare Eltern sind und sich für das Allgemeinwohl einsetzten. Sie sich für viele ein Fels in der Brandung - obwohl sie nicht zu den Leichten gehören…
All diese Menschen wurden ganz sicher irgendwann einmal als „die Dicke“, „der Mops“ oder noch viel Schlimmeres bezeichnet wurden. So, als sei es ein Label, das etwas über die Kompetenz oder Herzlichkeit der Person aussagt.
Und ich frage Euch: „wie verletzend und dumm, ist das, bitte schön?“
„Übergewicht sieht man. Dummheit und andere Charakterlosigkeiten leider nicht.“
Es war mir immer schon ein Rätsel, mit welcher Ignoranz und Überheblichkeit Urteile über Menschen gefällt werden, weil sie ein paar oder auch super viele Kilos zu viel auf den Rippen haben. Denn eigentlich sollte man sie bewundern!
Diese Menschen leisten etwas, was Normalgewichtige gar nicht ermessen können. Eine Frau oder ein Mann mit 20 Kg Übergewicht trägt permanent zwei große gefüllte Eimer mit sich herum, bei jedem einzelnen Schritt, bei jeder einzelnen Aktion.
Wer hin und wieder putzt, weiß wie schwer so ein verdammtes Ding ist. Wenn es dann sogar zwei oder noch mehr auf einmal sind - alle Achtung!
Wahrscheinlich wäre viele Schlanke dauerfertig, wenn sie solch eine Last 24/7 im Gepäck hätten - beim Treppensteigen, beim Sprint, wenn sie die Bahn noch erreichen möchten, oder beim Joggen im Park und selbst beim Gewichte stemmen im Fitnessstudio. Dicke können diese Eimer aber nicht einfach zuhause lassen, oder beim Sport im Spind einschließen. Nein, sie haben sie immer mit dabei.
Diese Last ist schwer
…egal ob selbstverschuldet oder durch irgendeine medizinische Disposition. Herablassung ist hier vollkommen fehlangebracht und birgt ausserdem für Dünne, die sie sich leisten, eine große Gefahr.
Sie unterschätzen Übergewichtige und das, was sie (er)schaffen!
Auch viele Schlanke schaffen nicht mehr das normale Pflichtprogramm des Lebens, während es auch unter den Übergewichtigen viele gibt, die trotz der Eimer, die sie mit sich herumschleppen, Herausragendes erreichen. Ein ganz fantastisches Beispiel ist Jamie Kern Lima.
Sie war eine durchschnittliche amerikanische Frau mit Hauptproblemen, die beschloss, ein Make-up zu entwickeln, das diese zuverlässig überdeckt. Zusammen mit ihrem Mann hat sie dieses Ziel erreicht und anschließend begonnen, ein Unternehmen aufzubauen. Die ganze Sache lief sehr zäh an und es kostete Jamie unglaubliche Kraft, nicht aufzugeben. Einen besonderen Tiefschlag erlitt sie, als ein potentieller Investor ihr sagte „Ihr Produkt ist toll und hat viel Potential. Dennoch werden wir nicht in Sie investieren, denn ich will ehrlich sein, ich glaube nicht, dass andere Frauen von jemandem mit ihrem Übergewicht und Aussehen Make-up kauft.“
BÄMMMMMMM!
To Shorten the story - Jamie Kern Lima ließ sich nicht entmutigen und kämpfte Jahrelang weiter. Dabei erschuf sie ein Imperium, dass sie mit Anfang 40 für 1,3 Milliarden Dollar an L’Oreal verkaufte. Die Story ist sensationell und kann überall nachgelesen werden, zum Beispiel in ihrem Buch „Believe it“, oder einfach im Internet unter It cosmetics…
Und dabei reden alle von Body Positivity
Das Ganze ist nicht lange her und Body Positivity sollte eigentlich auch dem potentiellen Investor schon ein Begriff gewesen sein. Eigentlich sollte er seine seine Einschätzung und Herablassung von vornherein hinterfragt haben. Denn zu denken, man sei besser als ein/eine andere/r, weil man dünn ist, ist der größte Trugschluss aller Zeiten.
Ich selbst war nie wirklich dünn, selbst in schlanken Zeiten, als sich 63 Kg wog, sagte man mir „na ja, ganz dünn bist Du ja leider nicht“. Damals war ich jung, unerfahren und peinlich berührt. Heute würde ich antworten „Warum leider?“
Der Typ, der mir das sagte, war Mechaniker und heute, mehr als dreißig Jahre später, frage ich mich, ob ich nicht Mitleid mit ihm haben sollte - er ist immer noch Mechaniker in einer kleinen Werkstatt und sein größtes Highlight ist ein Jahresurlaub auf dem Campingplatz, wo er mit Bierbauch darüber redet, wie cool er früher war.
Ich dahin gegen habe diese dreißig Jahre anders genutzt und trotz Übergewicht einiges geleistet und erreicht. Mein Gewicht - mal mehr, mal weniger - hat mich nicht daran gehindert erfolgreiche und international arbeitende Unternehmerin zu sein, wunderbare Kinder großzuziehen, mehr als 50 mal nach China zu reisen, publizierte Autorin zu werden, mehrere Gemäldeausstellungen zu realisiere (eine im Europa Parlament unter der Schirmherrschaft des Vizepräsidenten) und noch so einiges andere.
Und dennoch wurde zum Beispiel einer meiner Töchter von meinem Ex-Schwiegervater geraten, immer schön dünn zu bleiben. Schließlich könne man nur dann als Frau erfolgreiche sein.
Es ist nicht weiter verwunderlich, dass er mein EX Schwiegervater ist, nicht wahr? Immerhin habe ich auch den dazugehörigen Ex und all seine Attacken überlebt...
In diesem Sinne ende ich mit einem simplen „Beauty comes in many shapes“ und rate Euch allen - egal ob Ihr dick oder dünn seid - niemals zu glauben, einem anderen Menschen überlegen zu sein.
Die Welt brauch Dich und mich und ihn und sie - egal ob wir XS oder 3 XL tragen.